Schmetterlinge auf der Schipiste

Bericht von der Tagung „BERGumWELT“ am 06. Juni 2017 in Bozen, IT.

Naturgenuss ist ein zentrales Motiv für jene, die die Alpen besuchen und besteigen, sei es im Winter oder in den Sommermonaten. Seit einem guten Jahrhundert werden Aufstiegshilfen gebaut, um die Berge leichter zugänglich zu machen, statt den Strapazen wird das Erlebnis und statt den Gefahren Abenteuer großgeschrieben.

Gerade in Gebieten, die sich ihr wirtschaftliches Standbein im alpinen Tourismus und dem Schisport geschaffen haben, werden die Berge zu diesen Zwecken umgeformt, ja regelrecht umgebaut. Auf die ursprüngliche natürliche Umgebung, ihre Artenvielfalt oder landschaftliche Attraktivität – so scheint es – wird nur wenig oder gar nicht geachtet.

 


 

Im Spannungsfeld zwischen Umwelt und Schigebiet findet die Veranstaltungsreihe „BERGumWELT“ ihre Themen. Zum vierten Mal tauschten Vertreter aus Wissenschaft, Seilbahnwirtschaft, Umwelt und Politik auf Einladung der pro natura pro ski foundation und der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) Anfang Juni 2017 in Bozen ihre Informationen und Perspektiven aus. Im Zentrum der Diskussionen stand dabei die Frage, welchen Stellenwert Umweltaspekte in Schigebieten haben und wie sie medial aufbereitet werden.

 

Erschreckend, findet Prof. Ulrike Pröbstl-Haider (BOKU), sei wie sich auch in renomierten Qualitätsmedien Schlagzeilen wiederfinden, deren Wahrheitsgehalt bereits seit Jahren wissenschaftlich widerlegt sei. Von Zerstörung der Natur, Austrocknung der Alpen durch Beschneiungsanlagen, Verdichtung der Böden, Verlust von Lebensräumen für Tiere und Pflanzen bis hin zur Klimaschädigung ist die Rede. Botschaften, die in den Köpfen der Leser hängen bleiben und dem begeisterten Schisportler ein schlechtes Gewissen machen. Von Renaturierungsprojekten oder energieeffizienten Lösungen dahingegen – frei nach dem Motto „only bad news is good news“ – liest man wenig.

 

Ein Beispiel:

Unbestritten ist, dass dort, wo bauliche Maßnahmen in Schigebieten gesetzt werden, auch große Erosionsschäden vorkommen. Bis zu dreißig Jahre kann es dauern, bis die Vegetation wieder ihre ursprüngliche Form in diesen Bereichen angenommen hat. Hier ist die Abstimmung zwischen Landwirtschaft, Schisport und Tourismus besonders gefragt, möchte man diese Prozesse beschleunigen. Etwa dadurch, dass die Beweidung der Almwiesen dort, wo Kunstschneepisten über sie führen, erst später beginnen kann, da die spätere Schneeschmelze auch das Wachstum der Almvegetation verzögert. Gleichzeitig sollen auch Wege instand gehalten werden, damit Wanderströme den Boden nicht zusätzlich belasten. Gelingen diese Maßnahmen, kann auf intensiv genutzten Schipisten eine Artenvielfalt entstehen, die Biologen in helle Aufregung versetzt (wie z.B. im Schigebiet Schmitten).

 

Aber wer berichtet schon von Schmetterlingen auf Schipisten?

 

In der Diskussion wird betont, hier wären vor allem die Schigebiete selbst gefordert, ihre Bemühungen und deren positiven Auswirkungen auf die natürliche Umwelt aktiv nach außen zu kommunizieren. Dazu gehört neben der Richtigstellung irreführender Aussagen auch, Informationen aufzubereiten und zugänglich zu machen sowie die verständliche Darstellung komplexer Zusammenhänge seitens der Schigebiete. Journalisten, die selbst keine Experten auf jedem Gebiet sein können, müssen sich auf Faktenchecks und Expertenmeinungen verlassen. Je konsistenter diese sind, desto eher werden diese auch aufgegriffen.

Dass Nachhaltigkeit oder ökologische Verantwortung für die Wahl der Schigebiete in Wahrheit kaum eine Rolle spielt (ca. 3%), belegen Meinungsumfragen (z.B. T-Mona 2013/14). Was hingegen wichtig ist, sind das Angebot eines Schigebiets, die Schneesicherheit sowie Landschaft und Natur. Für Schigebiete bedeutet das im Umkehrschluss, dass es sich dabei nicht um Themen handelt, die die Zielgruppen vordergründig interessieren. So werden sie vielfach nicht thematisiert und schon gar nicht zu einem USP gemacht. Klaus Grabler, Meinungsforscher bei MANOVA GmbH, ist aber überzeugt, dass Themen, die mit nachhaltiger Entwicklung in Zusammenhang stehen, in Zukunft sehr wichtig sein werden.  In der gehobenen urbanen Mittelschicht - aus der Schifahrer und Bergtouristen zu einem großen Teil kommen - werden sie in allen Lebensbereichen wichtiger. Langfristig kann sich ein gesellschaftlicher Trend abzeichnen und für Schigebiete eine Möglichkeit sein, auch bei Nicht-Schifahrern ein positives Image aufzubauen.

 

Am Ende des Tages steht die die Frage im Raum, wie und ob ökologische Belange in die Kommunikation eines Schigebietes aufgenommen werden sollen. Ist es für ein Schigebiet von Vorteil, sich als ökologisch verantwortungsvoll zu positionieren, vor allem, wenn es sich davon keinen kurzfristigen Nutzen erhoffen kann? Kann ein Umweltmanagement, wie es aus der Industrie bekannt ist, funktionieren? Die Antworten darauf können sich die Teilnehmer im Vortrag nächstes Jahr erhoffen.

 

Bis dahin heißt es, die Augen und Ohren danach offenzuhalten, was von und über Schigebiete im Zusammenhang mit Umweltverträglichkeit kommuniziert wird und die Botschaften – sowohl die der einen, als auch die der anderen Seite – kritisch zu betrachten.


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